„Nicht Gejagte, sondern erfolgreiche Jäger“ – Kristof Wilke im Interview

Der Deutschlandachter ist seit den Olympischen Spielen von Peking unbesiegt und fährt nun als einer der Top-Favoriten nach London. Road to London sprach mit Schlagmann Kristof Wilke über die Entwicklung des Deutschlandachters, das schlechte Abschneiden in Peking und über die Rudernation Großbritannien.  

Road to London: Kristof, vielleicht kannst Du meinen Usern mal erklären, wo der Unterschied zwischen den beiden Ruder-Techniken, Riemenrudern und Skullen, liegt und wann man sich für eine bestimmte Technik entscheidet. Hat das vielleicht etwas mit dem Körperbau zu tun?

Kristof Wilke: Beim Skullen hat man jeweils ein Ruder in jeder Hand, die kleinste Bootsklasse ist hierbei der Einer. Beim Riemenrudern hat man nur ein Ruder in beiden Händen, das jeweils entweder nach Steuerbord oder Backbord aus dem Boot geht. Daher ist hier die kleinste Bootsklasse der Zweier, damit das Boot auch geradeaus fährt. Mit dem Körperbau hat das nur wenig zu tun. Allgemein sagt man, dass man beim Riemenrudern etwas größer sein muss als beim Skullen, um die geforderte Durchzugslänge zu erreichen.

Warum hast Du Dich für das Riemenrudern entschieden?

Ich habe mich in erster Linie für das Riemenrudern entschieden, weil ich viel lieber im Team rudere als alleine, auch wenn das Team nur aus zwei Personen besteht.

Nun bist Du Schlagmann im „Deutschlandachter“. Was genau sind dort deine Aufgaben?

Als Schlagmann habe ich die Aufgabe den Rhythmus des Schlages vorzugeben. Dann setze ich die taktischen Kommandos unseres Steuermanns um. Ich bin jedoch auf meine komplette Mannschaft, die hinter mir sitzt, angewiesen. Deshalb bin ich nicht mehr und nicht weniger als einer von 8 Ruderern, die versuchen möglichst schnell von A nach B zu kommen.

Was bedeutet Dir die Teilnahme an den Olympischen Spielen? Und wie hast Du Dich bei deiner ersten Teilnahme in Peking gefühlt?

Die Olympischen Spiele sind sportartenübergreifend das größte Ereignis, das ein Athlet erreichen kann, wenn man mal von den Profisportarten wie zum Beispiel Fußball und Tennis absieht. Da sie nur alle vier Jahre stattfinden, haben sie einen deutlich höheren Stellenwert als Welt- und Europameisterschaften und sind das große Ziel eines jeden Athleten.

Die Olympischen Spiele in Peking waren rein sportlich gesehen natürlich ein ziemlicher Reinfall, aber ich habe sie trotzdem als sehr schön in Erinnerung. Das Einlaufen bei der Eröffnungsfeier und das Leben im Olympischen Dorf mit Athleten aus aller Welt sind Momente, die ich niemals vergessen werde.

Deutschlandachter (Quelle: Kristof Wilke)
Deutschlandachter (Quelle: Kristof Wilke)

Vor den Spielen in Peking bist Du relativ kurzfristig noch in den Achter berufen worden. Ursprünglich wolltest Du im Vierer antreten. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Über die ganze Saison wurden damals viele Fehlentscheidungen von dem damaligen Bundestrainer gefällt. Der eigentliche Achter brachte keine guten Leistungen und wurde viel zu spät und auch auf unfaire Weise nicht für die Spiele nominiert. Der Ruderverband traf unüberlegte, überstürzte Entscheidungen und setze auf eine junge Mannschaft, die zwar schnell in den Klein- und Mittelbooten war, leistungsstark und auch gewillt, allerdings aber auch unerfahren.

Du hast Dich also mit dieser Entscheidung nicht wohl gefühlt?

Ich war damals froh, mich so für die Olympischen Spiele qualifiziert zu haben. Noch dazu habe ich mich in einer tollen Mannschaft eingefunden. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit den Jungs zu rudern. Allerdings habe ich mich rein sportlich nicht wirklich wohl gefühlt, ich hatte keinerlei Erfahrungen im Achterrudern. Die Jahre davor war ich im Zweier und Vierer ohne Steuermann sehr erfolgreich und fühlte mich im Achter nicht wirklich wohl.

Könnte man das schlechte Abschneiden in Peking vielleicht damit begründen, dass das Team nicht genug Zeit zusammen hatte, nicht eingespielt war?

Das ist mit Sicherheit der Hauptgrund, weshalb das Rudern während der Rennen in Peking nur schlecht geklappt hat. Es ist schon sehr wichtig, dass sich die acht Athleten in einem Achter aufeinander eingespielt haben, dass sie sich während des Rennens gleichmäßig belasten und so gemeinsam ermüden. Gerade in der speziellen Situation der Olympischen Spiele und unter der Belastung des Rennes hat das damals nicht mehr gut funktioniert. Zwei Monate waren definitiv viel zu wenig Vorbereitung.

Was muss sich ändern, damit dies in London nicht nochmal passiert?

Ich denke, dass alle Fehler, die damals gemacht wurden, bereits ausgebügelt wurden und unser neuer Trainer sehr genau darauf achtet, dass diese nicht noch einmal begangen werden. Das zeigt sich ja auch im Erfolg der letzten drei Jahre. Zumindest wurde der Achter diese Saison bisher nur auf einer Position im Vergleich zum letzten Jahr geändert. Eingefahren sind wir also schon einmal.

Du fährst mit dem „Deutschlandachter“ als dreimaliger Weltmeister (2009, 2010, 2011) nach London und bist auch dort meiner Meinung nach mit deinem Team Titelfavorit. Wie hoch schätzt Du den Druck ein, der auf Dir und deinen Mannschaftskollegen lastet und wie gehst Du damit um?

Ich sehe uns nicht unbedingt als Titelfavorit, sondern eher die Briten, die bei ihren Heimspielen an den Start gehen werden und sehr hohe Ambitionen haben. In Großbritannien hat der Rudersport einen wesentlich größeren Stellenwert als hier in Deutschland, der Verband ist sehr professionell organisiert und verfügt über ganz andere Mittel als der deutsche.

Die Siegesserie der vergangenen Jahre spricht eine andere Sprache.

Ich sehe uns trotzdem auch in dieser Saison nicht als die Gejagten, sondern eher als erfolgreiche Jäger, auch wenn die Ergebnisse das anders wiedergeben. Wir freuen uns bei jeder Regatta, wenn wir die Briten wieder geschlagen haben, wissen aber dass sie in London sehr stark sein werden, wie auch alle anderen 6 Achter, die dort an den Start gehen werden.

Klar, die Erwartungen in Deutschland sind hoch, besonders nach der Siegesserie der vergangenen Jahre. Dennoch denke ich, dass wir mit dem Druck bisher ganz gut umgegangen sind. Solange der größte Druck von uns ausgeht – und ich hoffe das bleibt so -, ist das nur positiv.

Was ist das mannschafts-interne Ziel für London?

Natürlich wollen wir Gold gewinnen! Es wäre ja auch albern etwas anderes zu behaupten. Wir haben seit den Spielen in Peking kein Rennen verloren und wollen das auch in London nicht. Das Problem dabei: Alle anderen Achter in London wollen das auch. Auch wenn das in Peking so aussah, als wollte der deutsche Achter nur an den Spielen teilnehmen – dem war nicht so. Jeder Sportler, der an den Olympischen Spielen teilnimmt, will um Gold kämpfen.

Titelbild von Kristof Wilke